Weiteres zum Thema
- Karten, GPS, Höhenprofile (Mangan – Shaharut)
- Fotogalerie (Mangan-Shaharut)
- Wetter für (Shaharut/Eilat)
- Meine Ausrüstung für den Shvil Israel
- Musik: Kshe Halev Boche/Sarit Hadad Amazon/Itunes
Der Abend im Mangan Night Camp
Wärmend hielt ich meine Hände über die rauchenden Schwaden des Lagerfeuers, die sich schützend über das Gesicht ausbreiten und so für die vielen Fliegen in dem ausgedehnten Nahals am Fuße des Berges Milhan eine unüberwindliche Barriere darstellen.
Die Pallettenreste, die ich vom nahegelegenen Campingplatz holte, nahmen in der heißen Glut rasch an Umfang ab. Sie bildeten so für die Äste, die Bettina rings um unser Nachtlager gesammelt hatte, eine glühende Basis, doch die Hitze und die Trockenheit gewohnt, ließen sich die Wüstenhölzer nur zu einem glimmenden Intermezzo überreden. Langsam verschmolz die Glut mit der Dunkelheit der Nacht.
Zeit, sich unter dem vor Insekten schützendem Innenzelt in den wärmenden Schlafsack einzukuscheln.
Vor dem Einschlafen erinnerte ich mich lächelnd an die dramatischen Minuten und den mädchenhaften Charmes, den Bettina tief aus dem Inneren der Taschen ihrer grünen Weste hervorgekramt hatte, nur um den Parkranger freundlich zu stimmen. Haben wir doch zum Shabbatausklang im Nationalpark Negev unsere Zelte außerhalb eines Nightcamps aufgebaut und anschließend noch die armseligen Reste der kargen Wüstenvegetation zu einem Lagerfeuer aufgehäuft.
Zwei Todsünden in einem israelischen Naturschutzgebiet und dies kann mit einer Strafe von mehreren hundert Schekel geahndet werden.
Jedoch, erschlagen von dem Redeschwall und dem unschuldigen Blick der rehbraunen Augen meiner Wanderpartnerin, verabschiedete sich der Ranger, mit einem freundlichem Lächen auf den Lippen und ohne Strafzettel in die aufkommende Dunkelheit der Wildnis.
Wenige Minuten später sind dann auch die vier Israelis, mit der Kopflampe den Weg suchend, eingetroffen. Schnell hatten sie ihre Schlafsäcke in der Nähe des wärmenden Lagerfeuers ausgerollt.
Jetzt aber liege ich hier in dem schützenden, fliegenfreiem Innenzelt und beobachte den sternenklaren Himmel. Ich denke an meine Frau Steffi und erwische mich bei dem frevelhaften Gedanken, dass alle weiblichen Wesen gleich sind. Mit Überredungskunst und dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen, mit ihren großen weit geöffneten oder auch leicht nach unten gesenkten Augen ziehen sie den männlichen Part dieser Welt immer wieder in ihren Bann.
Wer ist nun das stärkere Geschlecht?
Aufbruch vom Nahal Mangan
„Aron, schläfst du noch?
Guten Morgen Aron!
Hallo, so rede doch mit mir, wenn du munter bist.“
„Nein, ich ratze nicht mehr, zumindest jetzt nicht mehr.“, gähnte ich wütend der nervenden Stimme vor dem Zelt entgegen. Während die leichte Dämmerung den noch etwa eine Stunde andauernden Kampf gegen die Nacht führte, und dann die Sonne den Israel National Trail wieder in einen Hitzekessel von weit über 30 Grad verwandeln wird, mussten wir diese kühlen Stunden nutzen.
Schließlich standen 27 Kilometer auf unserer Marschliste nach Shaharut. Also es half alles nichts, die Stimme vor dem Zelt hatte recht, wir mussten los.
„Ab gehts!“, kommandierte mir Bettina, mit Rucksack bestückt und sich kraftvoll auf ihren Trekkingstöckern abstützend, zu. Genussvoll nahm ich einen letzten Zug aus der noch halblangen Zigarette, bevor ich sie wehmütig in den kalten Wüstensand ausdrückte. Mit der anderen Hand startete ich die Aufzeichnungstaste der GPS App. Schnell verschwanden Zigarettenschachtel und Handy in den Taschen des khaki farbenden Outdoor Hemdes. Widerwillig ergab ich mich in meinem Schicksal und latschte gedankenlos der von morgendlicher Hyperaktivität gepackten Frau hinterher. Sie drehte sich nur kurz um, überzeugte sich, dass ich ihr folgte, und schenkte mir ein breites Lächeln. Ich konnte ihr nicht böse sein. Die nächsten 5 Kilometer führte der schmale Pfad nur bergauf. Die Aussicht jedoch auf einen genialen Blick der aufgehenden Sonne über die Berge und Täler des Timna Parks verlieh mir genug Willenskraft den Anstieg eherfurchtvoll anzugehen.
Gegen halb Acht erkannte ich schon aus der Ferne die Silhouetten von Shiir, Costa, Jaav und Inbar, den vier israelischen Wanderfreunden, die noch 20 Minuten vor uns aufgebrochen waren. Auf dem über 600 m hohem Ma’Ale Milhan richteten sie sich für eine gemütliche Kaffeepause ein. Gerade als ein Minigaskocher das Wasser zum Sprudeln brachte, erreichten wir die kleine Gruppe. Eingeladen zu einem Glas des heißen Getränks ließen wir den Blick über das weiträumige Tal und der über Jordanien aufgehenden Sonne streichen. Diese morgendliche Sicht in die Wirklichkeit der Schöpfung brannte sich für immer in mein Gedächtnis ein. Wo sonst anders, wenn nicht hier in der Wüste, konnte Abraham Seine Gegenwart erfahren, durfte Moses aus Sklaven, mit den von Ihm gegebenen Gesetzen ein Volk schmieden, welches bis heute um jenes Israel kämpft, das ihm einst als Heiliges Land versprochen wurde.
Schema jisrael Adonai elohenu Adonai echad.
Höre, Israel, der Herr ist unser G’tt, der Herr ist einzig. (Dtn 6,4)
Eine Shvilkiste
„Jetzt komm schon, wir haben noch über 20 Kilometer vor uns.“, riss mich die Fachkrankenschwester für Psychiatrie aus meinen Gedanken. Schwungvoll krachte der Rucksack zwischen meine Schultern und gab mir genügend Schwung zum Lostraben. Nie wollte ich in ihrer Klinik liegen! Dessen sicher suchten meine Augen nach einem letzten Blick auf den Tima Park.
Wie in Trance und im Eiltempo lief ich die ebene, durch Allrad Fahrzeuge gespurte Route auf der Hochebene entlang. Nach einer Stunde erreichte ich gegen 10:00 Uhr ein Nightcamp, geziert von schattenspendenden Bäumen und einem großen Kasten in den Farben des Israel National Trail. In solche Truhen packten Shvilisten auf ihrer Tour durch Israel all die Sachen hinein, die sie nicht mehr benötigen. Meist die ausgelesenen Bücher, die ihres geistigen Inhalts beraubt, nur noch eine nutzlose Last für den Besitzer darstellten. In den Kisten konnten sie für die nächsten Leser erneut in voller Pracht erblühen. Aber auch Toilettenpapier oder andere Kleinigkeiten wechselten in diesen Behältnissen ihren Eigentümer.
Erschöpft legte ich meinen Rucksack beiseite und erwartete mit heruntergelassener Hose Bettina. An diesen Anblick gewöhnt, rückte sie nahe an mich heran und genoss den, für sie so angenehmen Geruch, meiner schrecklich stinkenden Salbe, die ich langsam in mein schmerzendes Knie einmassierte.
Wenige Minuten später erschien am Horizont das Quartett der israelischen Shvilisten. Erst Inbaar und Jaaf, etwas dahinter Shiir und Costa. Die kleine Shiir hatte mit dem schweren, wassergefülltem Rucksack Probleme, das Tempo ihrer männlichen Begleiter mitzuhalten. Costa, ein 25 jähriger, jüdischer Einwanderer aus Russland, der bereits seit frühster Kindheit in Israel gelebt hatte, nahm sich dem Mädchen an und half ihr den Shvil Israel zu laufen. Als Costa unser Camp erreichte, sah er mich nur an, legte sein Gepäck ab und zauberte aus seinem Rucksack eine elastische Binde hervor. Gekonnt bandagierte er damit mein geschwollenes Knie. Ich nickte nur dankbar. Berührt von dieser uneingeschränkten Hilfsbereitschaft verbarg ich meine Tränen, zog die Hose wieder hoch und ging weiter auf den Israel Trail. Das dachte ich zumindest.
Wo ist der Israel National Trail?
Nach knapp 2 Kilometern fiel mir das Fehlen einer Wegmarkierung auf. Die Positionsbestimmung im Gelände ist ohne besondere Merkmale eine schwer lösbare Aufgabe. Weder eine Wegkreuzung, noch ein Baum zierten die lange endlose Wüstenstraße. Selbst eine Orientierung an Hand des Night Camps versprach keinen Erfolg, es fehlte der entsprechende Vermerk in den Karten des Buches „Hiking The Land of Israel“.
Also muss das GPS Gerät herhalten. Schnell konnte ich erkennen, dass ich ca 2,5 Kilometer vom Shvil abgekommen war.
„Bleib stehen!“, rief ich daraufhin der 300 Meter hinter mir laufenden Bettina zu.
„Wir sind falsch.“, begründete ich lautstark meine Aufforderung.
Im Falle eines Verlaufens gilt nur eine Regel! Gehe bis zur nächsten Wegmarkierung zurück und suche den richtigen Weg. Im Eiltempo liefen wir zum Night Camp, hier pausierte noch immer die Vierergruppe, jedoch bereits zum Abmarsch gerüstet, im Schatten der zwei Bäume. Wenige Minuten später wanderten wir zu sechst die 1000 Meter bis zum Israel Trail Wegzeichen.
Es zeigte nach Süden. Von dort sind wir am Morgen aufgebrochen. Also musste der richtige Weg zwischen hier und dem Camp liegen. Wir übersahen also zum zweiten Mal die Abzweigung. Was blieb uns übrig, als noch einmal zurück zum NC zu marschieren. Doch auch diesmal fanden wir keinen Weg, der nach rechts abbog!
Costa, wie seine drei Kameraden, ebenfalls ein frisch entlassener Sergeant der israelischen Verteidigungsarmee (IDF), zog eine abgegriffene Landkarte aus der Seitentasche des Rucksackes.
„Wir müssen nach Osten“, erklärte er.
„Ja, aber da geht kein Weg ab.“, wendete ich ein.
„Dann haben wir ihn nur wieder übersehen“, erwiderte der junge IDF Reservist.
Also, nochmals zurück. Es war zum Verzweifeln. Wieder zeigte sich kein Trail in die gewünschte Richtung.
Während Costa sich mit seinen drei Freunden beriet, zog ich mein Smartphone aus der Hemdtasche und starte die App mit dem GPS Track des Israel National Trail. Entgegen der Warnung, nie einen Weg zu verlassen, ging ich in eine endlos scheinenden Landschaft tief in den Negev hinein.
Bettina folgte mir sofort und ohne Bedenken, hatte doch genau diese App uns vor vier Tagen auf den richtigen Weg zurückgebracht. Doch diesmal gab es einfach keinen Weg, nur Wüste. Unschlüssig und in großem Abstand zogen dann auch Inbar und Jaaf und schließlich auch Shiir und Costa hinter uns her.
Nach 1,5 Kilometern zeigte sich weit vor mir ein gespurter Weg. Ich erhöhte mein Tempo und winkte nach einigen Minuten den anderen zu. Deutlich leuchteten mir in der schwirrenden Mittagshitze die unverwechselbaren Streifen in Orange-Blau-Weiße entgegen. Willkommen Shvil Yisrael.
Mein Eilmarsch durch den Negev
Zwei Kilometer weiter begrüßte mich ein steiler, aber kurzer Anstieg auf den, mit 750 m höchsten Punkt, des Tages. Vor mir eröffnete sich ein vegetationsreiches, über 6 km ausgedehntes Tal, an dessen Ende mich der nächste leichte Aufstieg mit einer Höhendifferenz von 80 m erwartete.
Um 14.00 Uhr erreichten wir gemeinsam den kleinen Gipfel.
„Zeit für eine Pause.“, vernahm ich glücklich die Worte meiner Weggefährtin. Der Rucksack landete schnell auf dem steinigen Hügel. Entschlossen griff ich zu der Zigarettenschachtel und dem Handy im Hemd. Mit der eine Hand rauchend tippte die andere mühsam die Buchstaben für meinen Blog in die Bildschirmtastatur des Handys. Viel Zeit konnte ich mir nicht nehmen, um den Funkempfang zu nutzen. Schließlich stand die Sonne schon erschreckend tief im Westen. Mehr als drei Stunden werden uns nicht bleiben, dann wird die abendliche Dämmerung die Sonne bis zum kommenden Morgen verabschiedet haben, und die Entfernung nach Shaharut betrug ja immerhin noch 9 Kilometer.
Erholt legten meine langen Beine nach der dreißig minütigen Pause den allabendlichen Eilschritt ein. Das Ziel Shaharut vor den Augen rasten sie, dem schmerzendem Knie Rechnung tragend, halb hinkend, den sacht abfallendem Trail entlang. Nach fünf Kilometern konnte ich von einer Anhöhe aus, im Glanz der von Westen scheinenden Sonne das Dörfchen Shaharut erkennen. Motiviert von diesem Anblick begann ich mit dem 4 km langen, eher leichten, aber kurvenreichen Abstieg durch ein altes Flussbett. Kurz vor 17:00 Uhr floß der letzte Schluck des warmen Wassers aus der Blase im Inneren des Rucksacks durch meinen ausgetrockneten Mund. den ich daraufhin, auf Bettina wartend, 200 Meter vor Shaharut auf den staubigen Boden gleiten ließ.
Am Ziel in Shaharut
„Hast du schon den Wasserhahn gefunden?“, fragte Bettina, als sie mich zufrieden auf dem Wüstensand liegen sah. „Nein, noch nicht. Ich gehe doch nicht ins Dorf, komme zurück und gehe mit dir noch einmal 200 Meter dort hin. Brauchst du eine Pause?“, erwiderte ich fragend. „Nein, lass uns gleich ins Dorf laufen.“, antwortete die ebenfalls abgekämpfte Münsteranerin. Schließlich lagen uns aufgrund der Umwege, 33 km Wütenwanderung, bei 36 Grad im nicht existierendem Schatten in den Gelenken. Einige Minuten später erreichten wir das menschenleere Dorf Shaharut.
Die Sonnenstrahlen versuchten mit letzter Kraft, ein wenig Licht hinter die Mauern der Gehöfte in Shaharut zu bringen. Jedoch, mehr als lange Schatten, die im abendlichen Dunst verschwanden, vermochten sie nicht zu spenden. Die sofort spürbare Kälte löste auch die Thermik aus, durch die ein starker Wind die kommende Nacht ankündigte.
In den Häusern herrschet Dunkelheit und Stille. In der menschenlosen Umgebung der verlassen wirkenden Gebäude suchten wir durstig und mit Stirnlampen bewaffnet, vergebens nach der Wasserstelle.
„Slicha, Slicha!“, ertönt es plötzlich von Bettina. Aber ihre Worte verhallen ungehört in der Finsternis der stürmischen Wüstennacht.
Völlig im Dunkel, nur auf uns beide angewiesen, stehen wir ohne Wasser in einer Geisterstadt im Negev und Bettina ruft „Slicha Slicha!“.
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Bin diesen Teil des Shvils vor ca 2 Wochen gelaufen und Shaharut ist definitif kein Geisterdorf. Ist sehr schön weil viele Dorfbewohner ihre Häuser selbst gebaut haben und wir wurden zu Tee und Orangen eingeladen und haben die neuen Kamele besichtigt…
Wird es irgendwann einmal den Tagesbericht fuer den 29.02.2016 ff geben?