Weiterführende Links für diesen Tag
Geschafft, im Timna Park
Nachdem ich vor drei Stunden Bettina aus den Augen verloren hatte, brauchte ich gute 30 Minuten und zwei Zigarettenlängen, bis ich mich endlich, durstig und mit dem feinkörnigen Wüstengestein der vergangenen drei Tage verdreckt, wieder aufrichten konnte. Ich hinkte, schmerzverzerrt und mit geschwollenem Knie bis zur nächsten Gabelung am Rand des Kraters, der den Timna Park mit seiner schützenden Mauer umarmte. Linksherum führte der Israel National Trail auf dem kürzesten Weg zum See und den Campingplätzen. Rechtsherum verlief der Israel Biker Trail. Mit meinem ausgedörrten Hirn nahm ich natürlich den Biker Trail und verlängerte somit das Leiden um einen weiteren Kilometer.
Eine Stunde später erreichte ich Bettina. „Häää, Aron da kommst du ja endlich. Mensch, ich habe mir echt Sorgen gemacht.“, empfing mich die smarte Blondine mit einer Flasche Bier in der einen und einer nicht mehr ganz so kalten Cola in der anderen Hand.
Erschöpft und mit geschlossenen Augen stand ich jetzt unter der Dusche und genoss den harten Strahl aus der Brause. Klares, lauwarmes Wasser perlte von dem Jack Wolfskin Hemd ab und suchte sich seinen Weg über die staubige Hose, bevor es sich, inzwischen trübe wie meine Gedanken, seinen Weg auf den gelblich, braunen Boden bahnte. Sekunden später drang das vitalisierende Nass durch die Kleidungsstücke auf den geschundenen Körper.
Wohltuend genoss ich die schmutzige Brühe auf der Haut. Langsam entspannten sich alle Muskeln, meine rechte Hand gab die krampfhaft umklammerte Kernseife frei und begann die feuchten Klamotten unter der Dusche im Timna Park abzuwaschen. Gründlich reinigte die Seife meine Klamotten, die staubig und verschwitzt am Körper klebten, danach ausgiebig mich selbst. Nur mit Schlüpfer und T-Schirt bekleidet, verließ ich mit einem Armvoll tropfender Sachen die Duschanlage.
An einen krummen und rostigen Nagel eines dicken Außenpfostens des großen Gemeinschaftszeltes hängte ich alles in den noch warmen und trockenen Abendwind. Das Handy und die Powerbank landeten in einer der zahlreichen Steckdosen, im Inneren der gut 30 Wanderer fassenden Beduinenbehausung. Eine der letzten freien Matratzen bildeten, markiert mit meinem Rucksack, den Schlafplatz. Nach einem kurzen Imbiss, schrien alle Glieder nur noch nach Erholung. Erschöpft zog mich ein tiefer Schlaf in die traumlose Nacht.
Ein fast erholsamer Tag
Ausgeschlafen erwachte ich noch vor dem Sonnenaufgang mit kaum noch zu ertragenen Schmerzen im Knie und humpelte mit dem Rucksack in der Hand aus dem Zelt.
Bald darauf brannte der Spiritus Kocher und ließ das Wasser in dem Teekessel für einen, vor stärke protzenden Kaffee brodeln. Noch während das gemahlene Pulver durch das siedende Nass seinen aromatischen Geruch entfaltete, stöhnte neben mir plötzlich ein müdes: „Oh, Kaffee, hast du für mich auch einen?“ „Na klar, musst dir nur eine Tasse holen.“, erwiderte ich der noch schlaftrunkenen Blondine, die hinter ihrer hochgehaltenen Hand die schneeweißen Zähne versteckte.
„Wann gehen wir heute los?“, polterte es aus dem gähnenden Mund heraus. Noch nicht ganz munter, aber schon wieder dieser morgendliche Aktionismus, dachte ich genervt und massierte mein schmerzendes Knie. Alles in mir verlangte nach einem Tag Pause, das Bein hochlegen, einfach entspannen. Vor erst eineinhalb Monaten hatte mein Sohn mich über den Mount Timna gescheucht..
„Ich bleibe hier!“, war meine Antwort in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
Bettina schloss sich vier israelischen IDF Reservisten, drei Jungen und einem Mädchen, an. Gute 3,5 Stunden werde ich für mich nun ganz alleine haben, überschlug ich in Gedanken die Strecke auf den Israel National Trail bis auf den 453 m hohen Mount Timna und hinkte Richtung Kiosk.
Um 8:00 Uhr öffneten selbst zum Shabbat der kleine Verkaufsstand und die Gaststätte im Nationalpark. Kaffee, warme Getränke und Speisen gab es allerdings nicht, logisch, zum Shabbes waren Feuer und das Bewegen von Maschinen tabu.
Eis und Cola bekam ich allerdings in ausreichender Menge. Bewaffnet mit diesen Grundnahrungsmitteln, der Voltaren Salbe und meinem Lumia 950 suchte ich ein schattiges Plätzchen in der Nähe des künstlich angelegten Sees. Mühsam tippte ich auf die kleinen Buchstaben des Handydisplays und füllte Zeichen um Zeichen die Zeilen meines Reiseblogs.
Aufbruch zum Nachal Mangan
Punkt 15:00 standen wir mit gepackten Sachen am Parkplatz des Touristenzentrums des Timna Nationalparks. Per Anhalter fuhren wir die 6 km zu der anderen Seite des Mount Timna.
Im Tal des ausgetrockneten Flusses Sasgon (Nachal Sasgon), direkt am Shvil Israel, lag unser heutiges Night Camp. Aufgrund der Nähe zum Nahal Mangan, einer großen Sanddüne, hatten unsere neuen Freunde aus Israel dieses Night Camp auch Mangan Camp genannt. Im Reiseführer von Jacob Saar „Israel National Trail“, der in der Außentasche meines Rucksacks steckte, fand dieses Camp keine Erwähnung!
Nach 20 Minuten erreichten wir das Nahal Mangan. Knapp einen Kilometer hinter dem Night Camp streckte der Ma’ale Milan vor einem schattigen, sandigem Platz seine 350 Meter hohen und rotfelsigen Finger in den Himmel, die erste Bewährungsprobe für den kommenden Tag. Ideal zum Übernachten, dachte ich, aber leider verboten. Ich legte mir gerade einen Argumentationsleitfaden für Bettina zurecht, weshalb wir nur hier zelten konnten, als sie aus dem Hintergrund rief; „Lass uns hierbleiben, dann sparen wir morgen ein paar Meter.“ Glücklich, dass die Überzeugungsarbeit ausfiel, suchte ich Holz für ein Lagerfeuer. Eine Stunde später knisterten die Flammen vor den Zelten. In den letzten Strahlen der untergehenden Sonne erschien eine einmotorige Cessna und drehte ihre Runden über unserem kleinen Nachtlager.
Drei Viertelstunden später fuhr Bettina erschrocken hoch.
„Aron, dahinten kommt ein Auto!“ Ich springe auf und sehe wie ein Jeep mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und stark blendenden Dachscheinwerfern auf uns zu rast. Ohne das Tempo zu reduzieren, lässt er die Sanddünen des Nahal Mangan rechts liegen. Nur noch wenige Meter und er ist bei uns, durchfährt es mich, während mir Geschichten von räuberischen Beduinen einfallen.
Die Räder drehen auf dem sandigen Boden kurz durch. Eine kräftige Bremsung hüllt den weißen Nissan in eine undurchsichtige Staubwolke ein. Der Wagen schlittert noch ein paar Meter weiter und stoppt dann direkt vor unseren Zelten. Mit einer Pistole bewaffnet springt der dunkelhaarige Fahrer aus den Wagen. Mit großen, hastigen Schritten eilt er in Richtung meiner Pilgerschwester. Die Hand am Halfter bleibt er vor Bettina stehen. Ich eile in Richtung des Brennholzes um mir einen Knüppel als Waffe zu organisieren und stolpere dabei über meine bereits geöffneten Schnürsenkel. Mit dem Gesicht nach unten falle ich in den weichen Sand der Düne.
Zeitgleich und 2,6 km entfernt bog, eine kleine Gruppe israelsicher Shvilisten auf die 4WD Straße am Israel Trail in Richtung zum Nahal Mangan, ein.
Shalom Aron,
seit 2 Jahren träume ich schon vom Israel National Trail, kenne die Bücher von Judy Pex und Christian Seebauer und war auch schon einige Male in Israel.
Dein Reisebericht habe ich als “Besucher” sehr gerne gelesen. Jetzt würde ich einfach zu gerne wissen, wie Eure Begegnung im Nahal Mangan denn ausgegangen ist. Ich konnte die Fortsetzung im Netz nicht finden. Hast Du da eine Fortsetzung geschrieben und wenn ja, wo kann ich diese lesen?
Liebe Grüße
Markus
Lieber Marcus,
vielen Dank für Deine Worte. Die Fortsetzung werde ich diese Woche fertig bekommen. Bitte habe noch ein wenig Geduld mit mir. Viele Emails haben mich wegen der Karten und meiner Ausrüstung erreicht. Da die Shvil Saison gerade beginnt, habe ich die Prioritäten in den letzten 2 Wochen auf Informationsmaterial für den Israel Trail gelegt. Jedoch, meine Fotos sind für den nächsten Abschnitt meiner Erzählung bereits nach Zeit und Position geordnet, mein abgegriffenes Notizbuch liegt aufgeschlagen auf meinem Schreibtisch und die Tastatur meines Mac’s leuchtet mich auffordernd an.
Ganz herzliche Grüße und שבוע טוב- Shavua Tov-
Aron